Eisern auf Erfolgskurs

Johannes Heger

Leitet die Firma in vierter Generation: Johannes Heger. © HEGERGUSS

Mit Simulationen optimieren die Eisengießer von HEGERGUSS nicht nur ihre Bauteile und den gesamten Herstellungsprozess, Bildschirmpräsentationen unterstützen auch die Kundenbeziehungen des Unternehmens. Die Simulationsumgebung stammt vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern, das den Mittelständler mit Rat und Service unterstützt.

Das rotglühende Eisen fließt in die Form und erstarrt zu Rotornaben für Windkrafträder. Die Spezialgießerei im rheinland-pfälzischen Enkenbach ist dem traditionellen Werkstoff Eisen treu geblieben und legt Wert auf handgeformte Unikate und Kleinserien. Qualitätsprodukte sind das Aushängeschild der Enkenbacher Gießer, doch der Umgang mit den meist tonnenschweren Bauteilen ist harte Arbeit, die vom Mitarbeiter verlangt, dass er zupacken kann. High-tech? Nichts für den Mann an der funkensprühenden Gießpfanne.

Das Bild von der traditionsverbundenen Eisengießerei der Jahrhundertwende trügt. HEGERGUSS produziert zwar seit mehr als 100 Jahren am selben Standort, doch das Familienunternehmen hat sich nie modernen Einflüssen widersetzt. Seit zehn Jahren gibt es 3-DCAD-Arbeitsplätze in der Konstruktionsabteilung und moderne Computertechnik ist für den amtierenden Firmenchef Johannes Heger ein selbstverständliches Arbeitsmittel: »Ohne Ideenreichtum und gute Technik verliert jedes Unternehmen den Anschluss an die Zukunft«, betont Heger. Ein Erfolgsrezept bei HEGERGUSS heißt Simulation. Noch bevor ein Bauteil in den Herstellungsprozess geht, wird sein Konstruktionsplan auf Herz und Nieren in einer dreidimensionalen Simulation geprüft. Turbulenzen beim Einströmen der Schmelze, Porositäten beim Schrumpfen während der Erstarrung und sogar Eigenspannungen spüren die Entwickler am Bildschirm mit Hilfe einer sehr leistungsfähigen Simulationssoftware auf. Dieses Verfahren führt zu drastischen Kosteneinsparungen im Prototypenbau und zu kürzeren Entwicklungszeiten. Teure Gießversuche, die je nach Größe des Rohlings 20 000 Euro und mehr kosten, lassen sich reduzieren. Probleme mit neuen Werkstoffmischungen oder einer besonderen Formgebung orten die Gießereimechaniker meist schon beim ersten Blick durch die 3D-Brille.

⌈Rechenmodelle bieten tiefe Einblicke
Berührungsängste mit moderner Technik hat der diplomierte Maschinenbau-Ingenieur ohnehin nicht. Wie schon sein Vater, Hans-Jakob Heger, weiß auch der Junior, dass Wettbewerbskraft nur aus hochwertigen Produktlösungen erwächst. Dieses Erbe wird gepflegt. Investitionen fließen in Forschung und Entwicklung, das Verhältnis zwischen Chefetage und Personal ist von Teamgeist geprägt. Eine pompöse Selbstdarstellung auf Hochglanzpapier ist dem Mittelständler ebenso fremd, wie das ständige Nachdenken über Stellenabbau oder Abwanderung. Das Talent und die Voraussetzung dafür, auf Marktanforderungen schnell und auch risikofreudig zu reagieren, hat der Fabrikantensohn in die Wiege gelegt bekommen. Seit vier Jahren trägt er als Nachfolger in der vierten Generation die Verantwortung im kleinen Heger-Imperium.

Welchen Innovationsschub Simulationstechniken auslösen können, stand keineswegs von Anfang fest. Der Seniorchef Hans-Jakob Heger, ebenfalls studierter Maschinenbauer, unterhielt enge Kontakte zu dem ingenieurwissenschaftlich orientierten Mathematiker Professor Helmut Neunzert. Als Gründer des Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern und Kurator des mittlerweile als Fraunhofer-Institut tätigen ITWM, verfolgte Professor Neunzert das Ziel, mathematische Modelle und Verfahren industriellen Anwendern zugänglich zu machen. Genau die richtige Adresse für Heger. Denn dieser suchte ständig nach Optimierungsmethoden für Gießprozesse, um Neuteile in kürzerer Zeit als bisher produktionsreif zu machen.

Mit einem Softwarepaket des ITWM startete HEGERGUSS im Jahre 1997 erste Simulationsversuche. Aus den großen Datenmengen der CAD-Workstations erzeugte das Programm farblich animierte Werkstücke, die sich am Computermonitor darstellen ließen. Doch die damaligen Firmenrechner machten bei den rechenintensiven Operationen schnell schlapp. »Wir wussten, das war der richtige Weg, hatten aber noch keine praktikable Lösung«, erinnert sich Heger junior.

Das änderte sich schnell. Die schwindenden Preise für leistungsstärkere Hardware und die unermüdliche Anpassungsarbeit der ITWM-Wissenschaftler führten zu immer besseren Simulationsergebnissen. Schnelle Visualisierungsalgorithmen boten perfekte Einblicke in das Innere glühender Eisenteile, obwohl überhaupt kein Eisen im Ofen war. Als schließlich die bodenständigen Gießereimechaniker auch die 3D-Brille aufsetzten und mit der Computermaus im virtuellen Produktraum des soeben fertigkonstruierten Bauteils navigierten, war der Durchbruch bei den Mitarbeitern geschafft.

Weiterer Vorteil: In Rechner lassen sich sogar mögliche Schwachstellen eines neuen Bauteils entedecken und verbessern. Zwar kann Simulation den praktischen Test nicht vollständig ersetzen, aber die Prüfer müssen nur noch wenige Teile einem realen Härtetest unterziehen. Kein Wunder, dass HEGERGUSS immer wieder die Unterstützung durch Fraunhofer-Experten suchte. Sogar die neueste 3D-Visualisierungssoftware »PV-4D« des Fraunhofer-Instituts in Kaiserlautern hat sich die Gießerei angeschaut. Fast wie im Spielfilm defilieren die farbigen Bauteile vor dem Auge des Betrachters über die Monitorleinwand, bleiben auf Knopfdruck stehen und lassen sich vom Betrachter einer näheren Begutachtung unterziehen. »Die Tools werden immer besser«, ist Heger begeistert. Die Beziehungen zum ITWM sind über einen dauerhaften Service- und Supportvertrag gesichert,so dass Neuerungen in Hard- und Software unverzüglich in Enkenbach ankommen. »Bei besonders komplexen Berechnungen nutzen wir auch den Parallelrechner des ITWM«, verrät Heger.

⌈Überraschende Entdeckung
Nachdem die größten Hindernisse in der Praxis beseitigt waren, stießen die HEGERGUSS-Mitarbeiter auf eine weitere produktive Nutzanwendung der Simulation. Statt in der Werkstatt immer wieder neue Prototypen zu gießen, um das versprochene Qualitätsniveau ihrer Pumpen, Turbinen oder Motorblöcke zu erreichen, zeigten sie ihren Auftraggebern kurzerhand die softwareerzeugten Animationen der künftigen Produkte. Die Vorführungen im »Showroom« waren ein voller Erfolg. »Wir hatten plötzlich eine neue Diskussionsgrundlage mit unseren Kunden«, sagt Heger.

Mittlerweile denkt man bei HEGERGUSS über erweiterte Simulationsverfahren nach. Hinter dem umständlichen Titel »Innovative Methoden zur Integrierten Dimensionierung und Prozessauslegung von Gussteilen« (MIDPAG) verbirgt sich genau die Vision, die Heger junioranstrebt. Unter Federführung des ITWM entseht mit MIDPAG eine erweiterte Visualisierungsumgebung, die erstmals eine durchgängige Verbindung von Prozesssimulation und Bauteilkonstruktion umfasst. »Im Grunde wollen wir uns damit vom Produktlieferanten zum Systemdienstleister wandeln«, erläutert Heger. Den Eisengießern geht es dabei nicht nur um eine schnellere Auftragsabwicklung, sondern um Techniken, die den Einsatz völlig neuer Produktdesigns erleichtern. Anstöße für Neukonstruktion gibt es vor allem aus dem Aufbau biologischer Strukturen oder der Nachahmung natürlicher Materialeigenschaften. Die Zukunft bleibt spannend, für die Unternehmenssicherheit hat Heger vorgesorgt: »Mit Hilfe von Fraunhofer-Experten werdenwir unsere Alleinstellung gegenüber dem Wettbewerb weiter ausbauen.«
Andreas Beuthner

Rotornabe

Rotornabe einer Windenergieanlage. © HEGERGUSS